"Ein Blick Backstage" – Was macht eigentlich ein Inspizient?

In der heutigen Ausgabe zu "Ein Blick Backstage" wandern wir von der Staatsoper zum Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Hier arbeitet Olaf Rausch als Chefinspizient. Klingt wichtig und spannend, aber was genau er inspiziert, wissen nur die wenigsten. Für Theater Hamburg hat er Rede und Antwort gestanden.

Seit 1979 ist Olaf Rausch ununterbrochen als Inspizient unterwegs. Darauf kann man stolz sein und genau das ist er auch. Er ist sozusagen derjenige, der die Fäden zwischen Regie, DarstellerInnen und den technischen Abteilungen vor und während den Vorstellungen in den Händen hält. In seinen 33 Jahren am Schauspielhaus ist diese Bühne in seinem selbst betitelten "Leben für's Theater" ein wichtiger Teil geworden. Nach seinen 39 Jahren in diesem Beruf ist so viel Leidenschaft schlichtweg bewundernswert. Schauen wir uns also einmal an, woran Olaf jeden Tag auf's Neue so viel Gefallen findet. 

 

Inspizientenpult
Foto: Deutsches Schauspielhaus in Hamburg 

Auf der linken Seitenbühne vor dem Inspizientenpult. Dort ist Olafs Platz. Zwischen unzähligen Monitoren und Mikrofonen an seinem Inspizientenbuch erspäht man ihn meistens.  Findet man ihn nicht hier, sitzt er im Büro, um alle Vorgänge vorzubereiten. Falls er dort aber auch nicht ist, dann vielleicht bei der Bühnentechnik, der Bühnenfahrtechnik, bei der Beleuchtung, beim Ton, in der Requisite, der Garderobe oder im Vorderhaus? Alle technischen Gewerke müssen schließlich durch ihn zusammengebracht werden. "Wir sind ALLE aufeinander angewiesen um eine schöne und perfekte Vorstellung auf die Bühne zu bringen.", meint er. Klingt plausibel. 

Angefangen hat alles bereits zur Schulzeit. Schon früh hat Olaf mit Legobausteinen Bühnenbilder nachgebaut und auf und hinter der Bühne gearbeitet. Irgendwann kam die Mitarbeit in einer NDR-Serie dazu. Während einer Aufführung am Kieler Schauspielhaus erkrankte ein Inspizient – und das war Olafs echte Sternstunde. Da er eh für die Inszenierung tätig war und das Stück bestens kannte, sprang er kurzerhand ein und rettete den Abend. So war es um ihn geschehen!

Ein Quereinstieg ist es also, was es braucht, um das zu werden, was er ist. Dennoch ist es kein Job für Jedermann. Einfühlungsvermögen, Talent, Ehrgeiz, Gefühl für Timing, Musikalität und sehr gute Nerven muss schon mitbringen, wenn man ein wirklich guter Inspizient sein möchte.

Und dass er gut ist, zeigt auch sein Werdegang. 1979 begann seine Arbeit bei den Bühnen der Landeshauptstadt Kiel, Peter Zadek holt ihn 1985 nach Hamburg. 1993 folgte die Ernennung zum Chefinspizienten am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Seine einzigen zwei Stationen waren das aber nicht. Es folgten Gastengagements am Thalia Thalia, der Burg, dem Theater des Westens, der Staatsoper Hamburg, der Ruhrtrienale Bochum und vielen weiteren. Flatterten dadurch auch neue Angebote renommierter Häuser ein? Na aber klar! Trotz alledem blieb er dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg immer treu. Schließlich hat er über all die Jahre mit unzähligen renommierten RegisseurInnen und DarstellerInnen zusammen arbeiten dürfen. Das prägt und verbindet ungemein:

 

 

"Am stärksten in Erinnerung geblieben sind mir meine jungen Jahre bei Peter Zadek und Wilfried Minks. Die vielen Zusammenarbeiten mit großartigen Regisseuren erfüllen mich mit großer Dankbarkeit. Eine enorme Aufgabe war für mich die gigantische Inspizienz bei der Eröffnungspremiere unserer Intendantin Karin Beier ,Die Rasenden’, die Aufführung dauerte fast acht Stunden und war meine größte künstlerische Herausforderung."

 

Olaf Rausch im großen Saal
Foto: Deutsches Schauspielhaus in Hamburg

Ist sonst alles kinderleicht, wenn man schon so lange am selben Haus tätig ist? Natürlich nicht. Besonders jemand wie Olaf weiß genau, was es bedeutet, sich auf technische Neuerungen immer und immer wieder einzulassen. Durch seine vier Jahrzehnte am Theater merkt er, wie viel komplexer und aufwändiger sein Tätigkeitsfeld über die Jahre geworden ist. Vielleicht ist das ja auch einer der Gründe, weshalb gute Inspizienten momentan gesucht werden? Ein anderer Beruf hat sein Tätigkeitsfeld jedenfalls noch nicht ablösen können. Inspizient bleibt Inspizient! Als besonders herausfordernd findet der Chefinspizient es, wenn er zusätzlich in Familienstücken auch als Darsteller dabei sein kann. In seinen 33 Jahren am Schauspielhaus hat er alle Familienstücke im großen Haus als Inspizient betreut und gleichzeitig als Darsteller mitgewirkt. Momentan kommt er auf 943 Vorstellungen in diesem Metier. Braucht's noch ein bisschen mehr zu tun? Finden wir nicht.

"Bei vielen Vorstellungen erlebe ich immer wieder eine Art ‚Glücksgefühl’, wenn die Vorstellung durch meine Einsätze beginnt, bzw. wenn der Schlussapplaus beginnt."

Aber was macht er denn nun den ganzen Tag? Klar, er schaut, dass Proben und Vorstellungen reibungslos ablaufen. Aber wie genau soll man sich das vorstellen? Bereits bei der Bauprobe (dort wird das Bühnenbild markiert auf der Bühne dargestellt) schaut Olaf über die Schultern der Anderen, selbst bei der Leseprobe ist er anwesend, teilweise auch auf der Probebühne. Ist die Probebühnenzeit vorbei, bereitet er – meistens mit der Bühnenbildassistenz – für die technischen Abteilungen einen Ablauf der Anforderungen vor. Darin werden alle Umbauten, Drehscheibenfahrten, Schnürbodenfahrten, Verwandlungen etc. festgehalten.

 

Gut vorbereitet beginnen dann die Bühnenproben. Wie ein großes Puzzle werden dort alle Szenen und Bilder mit den DarstellerInnen und den Abteilungen zusammengestellt. Es folgen Beleuchtungsproben, technische Proben, Tonproben. Vieles wird bei den Proben nochmals verändert. Bis zur Generalprobe finden sehr lange und zeitintensive Bühnenproben statt. Dann startet die Premiere. Spätestens dann sitzt Olaf an seinem Inspizientenpult. Von hier werden alle Cue’s, also Einsätze, gegeben. Je nach Inszenierung können bis zu 180 Lichtwechsel, sowie über 400 Cue’s für Umbauten, Lichtwechsel, Toneinsätze, Drehungen und Schnürbodenfahrten etc. zusammenkommen. Eine gute Zusammenarbeit mit der Regie, den DarstellerInnen und den technischen Abteilungen ist somit Grundvoraussetzung. Doch es sind nicht die Anweisungen und Funksprüche, die Olaf verteilt und die ihn glücklich machen, besonders die Vielseitigkeit und intensive Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen Menschen machen für ihn seinen Arbeitsalltag aus.

"Gemeinsam versuchen wir fast täglich über 1.100 ZuschauerInnen durch unsere Künste zu verzaubern."

Wir wünschen dir noch viele weitere wundervolle Jahre am Schauspielhaus, lieber Olaf! Danke für so große Arbeit, die der Zuschauer niemals sieht, aber so dringend braucht, um seinen Theaterbesuch zu einem echten Erlebnis werden zu lassen.