Privattheatertage in Hamburg

Das Programm vom 8. bis zum 20. Juni

von Heinrich Oehmsen

Die Reise-Jury war fleißig. 93 Stücke mussten für die Privattheatertage (PTT) begutachtet werden, 137.000 Kilometer legten die neun Juroren zurück, um sich am Ende für zwölf Produktionen zu entscheiden, die sich in Hamburg präsentieren und in den Wettstreit um die Monica-Bleibtreu-Preise gehen werden. Geplant war das Festival eigentlich für den Juni 2020, doch dann brach die Corona-Pandemie aus und die Theater gingen vor 15 Monaten in den ersten Lockdown. Das Virus ist zwar immer noch nicht besiegt, doch die Inzidenzen fallen rapide, so dass die Bühnen nun allmählich wieder öffnen. Axel Schneider, Leiter der PTT, ist glücklich, dass er den neunten Wettbewerb mit einjähriger Verzögerung in diesem Monat nachholen kann. „Alle Produktionen, die von der Jury ausgewählt wurden, gehen an den Start“, freut Schneider sich. Der Vorverkauf für das Festival, das am 8. Juni beginnt und mit einer Gala am 20. Juni in den Hamburger Kammerspielen endet, hat angefangen. Die Nachfrage ist groß, weil viele Kulturfreunde nach dem zweiten Lockdown endlich wieder Theater hautnah und nicht als Stream erleben wollen.

Volle Säle wird es dennoch nicht geben, weil die strengen Corona-Restriktionen noch nicht aufgehoben sind. Das Altonaer Theater mit 160  und die Kammerspiele mit 140 Plätzen haben die größten Kapazitäten, was allerdings nur etwa 30 Prozent des tatsächlichen Platzangebots entspricht. AHA-Regeln, Test- oder Impfnachweis und Maskenpflicht während der Aufführungen gelten weiterhin. Dass dieses erstklassige Theaterfestival überhaupt verschoben werden konnte, verdankt es auch dem Hamburger Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU), der sich von Beginn an für das mit Bundesmitteln unterstützte Festival eingesetzt hat. „Gelder aus dem Etat des Bundesministerums für Kultur und Medien konnten ein Jahr weitergeschoben werden. Es ist ein Privileg, solch gute Projekte mitfinanzieren zu dürfen“, sagte Kruse bei einer digitalen Pressekonferenz.

 

Nathan © 2021 / Roland Zimmerer 

Wie bei jeden Privattheatertagen ist die inhaltliche Vielfalt wieder sehr groß – was auch mit den recht weitgefassten Kategorien zusammenhängt, nach denen ausgesucht wird. „Moderne Klassiker“, „zeitgenössisches Drama“ und „Komödien“ lauten die Genre-Bezeichnungen. Für jede Kategorie werden vier Inszenierungen gewählt. Bei den Klassikern sind zwei sehr häufig gespielte Dramen dabei, allerdings in ungewöhnlichen Settings: Das Zimmertheater Rottweil spielt Lessings „Nathan, der Weise“ und versetzt den Aufklärer in eine kunterbunte Jahrmarktswelt (9.6., 19.30 Uhr, Allee-Theater). John von Düffel, lange Dramaturg am Thalia Theater, hat Shakespeares düstere Tragödie „Macbeth“ für das Societaetstheater Dresden von ursprünglich 30 auf zwei Personen reduziert und den Text auf eine 70minütige Fassung verdichtet (14.6., 19.30 Uhr, Hamburger Sprechwerk). Außerdem gehören zur Kategorie Klassiker ein Abend mit Texten von Hölderlin, den das Theater Lindenhof in Melchingen „Darum wandle wehrlos fort durchs Leben, und fürchte nichts“ genannt hat (10.6., 19.30 Uhr, Galionsfigurensaal im Altonaer Museum). „Eine blassblaue Freundschaft“ heißt eine Arbeit des Kleinen Theaters am Südwestkorso Berlin, das auf einer Novelle von Franz Werfel basiert (16.6., 19.30 Uhr Hamburger Kammerspiele).

Ein großer Kino- und Literaturerfolg war „Emmas Glück“. Den Roman von Claudia Schreiber zum Thema Sterbehilfe verfilmte Sven Taddicken mit Jördis Triebel und Jürgen Vogel in den Hauptrollen.  Auch verschiedene Fassungen für das Theater gibt es inzwischen. Das Theater Eurodistrict Baden Alsace (BAAL) aus Offenburg kommt damit am 13.6. um 19.30 Uhr ins Ernst Deutsch Theater. Das BAAL ist zum ersten Mal beim PTT dabei, ebenso wie das Zentraltheater München, das in der Kategorie „zeitgenössisches Drama“ mit „Wir kommen“ in den Kammerspielen gastiert (12.6., 19.30 Uhr). Das Stück ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Ronja von Rönne, in dem ein Twen mit dem plötzlichen Tod einer Freundin konfrontiert wird.  Außerdem in dieser Kategorie nominiert: „Fräulein Pollinger“ vom theater tri-bühne Stuttgart (15.6., 19.30 Uhr, Ohnsorg Theater). Ein häufiger PTT-Gast ist Regisseur Dieter Nelle. In diesem Jahr kommt er mit dem Stück „Ein Waldspaziergang“, das er für das Forum Theater Stuttgart inszeniert hat (17.6., 19.30 Uhr, Harburger Theater).

Szene aus Extrawurst
Extrawurst © 2021 / Oliver Fantitsch

Dritter PTT-Neuling ist das Torturm Theater Sommerhausen, das mit „Alles, was sie wollen“ in der Kategorie „Komödie“ nach Hamburg reist. In dem Zwei-Personen-Stück geht es um eine Theaterautorin, die plötzlich von einer Schreibblockade heimgesucht wird (19.6., 19.30, Theater Haus im Park, Bergedorf). Außerdem wurden ausgewählt: „Extrawurst“ vom Ohnsorg-Theater (18.6., 19.30 Uhr, Altonaer Theater), „Jahre später, gleiche Zeit“, ein Zwei-Personen-Stück vom Theater an der Angel, Magdeburg, das in einem Doppelbett spielt (11.6., 19.30 Uhr, Kammerspiele). Eröffnet werden die Privattheatertage am 8.6. mit einem Stück, das bereits im Altonaer Theater lief, nämlich „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ nach der autobiografischen Vorlage von Joachim Meyerhoff.  Die Jury war von der Umsetzung des Stücks am Jungen Theater Göttingen begeistert und hat es ebenfalls nominiert (8.6., 19.15 Uhr, Altonaer Theater).

Am 20. Juni vergibt dann eine „Hamburg-Jury“ bei einer Gala in den Kammerspielen (Beginn 19 Uhr) in jeder Kategorie den Monica-Bleibtreu-Preis. Auch ein Publikumspreis wird ausgelobt. Natürlich wird es im nächsten Jahr wieder Privattheatertage geben, dann bereits zum zehnten Mal. Die wenigen Stücke aus der Spielzeit 20/21 und die neuen Inszenierungen 21/22 werden dann zusammengefasst. Die Reise-Jury ist schon wieder unterwegs.....